„Unsere Industrie hat enormes Potenzial für eine noch nachhaltigere Zukunft.“
Interview mit Alexander Franke, neu gewählter Vorstandsvorsitzender des europäischen Branchenverbandes EPPA und Mitglied der Geschäftsleitung, Chief Supply Chain Officer (CSCO), der profine Group.
Herr Franke, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt als Vorstandsvorsitzender von EPPA. Würden Sie zum Einstieg ein paar Eckpunkte zu Ihrer Position und Ihrer Vita bei der profine Group skizzieren?
Gerne. Ich bin seit nunmehr 18 Jahren bei profine und davon die letzten vier Jahre als CSCO für die Gruppe tätig. In diesem Bereich bündeln wir die Bereiche Einkauf, Produktionsplanung, Auftragsmanagement und die Logistik. Auch die Materialentwicklung gehört unserem Ressort an.
Weitere Stationen davor waren zumeist kaufmännisch geprägt, im Inland wie auch an ausländischen Standorten der profine Gruppe. Vor meiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2018 war ich zuletzt für einige Jahre als Geschäftsführer unserer Tochtergesellschaft in den USA.
Wie wichtig ist für Sie Verbandsarbeit in der Branche?
Auf den Punkt gebracht: Sie ist wichtiger denn je! Das in 2021 erlassene europäische Maßnahmenpaket 'Fit for 55' im Rahmen des Green Deal zeigt für unsere Branche enormes Entwicklungspotenzial auf, da wir mit unseren Produkten und Lösungen klar auf die europäischen Klimaziele einzahlen. Gleichzeitig sehen wir trotz erheblicher Fortschritte unserer Nachhaltigkeitsbilanzen den fortwährenden Bedarf, politische Akteure jederzeit mit sachgerechten Informationen zu PVC bzw. PVC-Fenstern zu versorgen und einen intensiven Diskurs über Chancen und Risiken laufender regulatorischer Prozesse für unsere Industrie zu führen.
Die Bedienung all dieser Aufgaben ist zeitintensiv und kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle Systemgeber ihre Kräfte für diese wichtige Aufgabe bündeln und mit einer Stimme sprechen.
Was sind die derzeit priorisierten Ziele des Verbandes EPPA?
Erstens: Wir möchten im politischen Dialog Sorge dafür tragen, dass dem Austausch von Fenstern im Rahmen der Dekarbonisierungsziele des Gebäudesektors eine größere Bedeutung beigemessen wird. Erfolgreiche Subventionsprogramme einzelner EU-Staaten zeigen, welche Potenziale freigesetzt werden können. Für uns ist dies durchaus eine Inspiration, solche Konzepte weiterzudenken.
Zweitens haben wir uns klar dazu verpflichtet, unsere Recyclingmengen in den Folgejahren weiter zu erhöhen und unsere Vorreiterrolle für PVC-Recycling auszubauen. Dazu gehört aber bei weitem nicht nur die Selbstverpflichtung an sich. In den Themenfeldern Zertifizierung von Recyclingprozessen, Verbringung von Abfällen und Wertstoffen sowie Normung steht eine Vielzahl an Aufgaben an, welche flankierend zur Erhaltung unserer Recyclingziele unabdingbar sind.
Drittens: Das Thema Nachhaltigkeit wollen und müssen wir in der Lieferkette weiterdenken. Der Dialog mit Zulieferern sollte in der Breite vertieft werden. Die sich stetig verschärfenden Ziele der EU werden dazu führen, dass wir den Transformationsprozess von Rohstoffen und entsprechenden Produktionsverfahren noch enger vernetzen und gegebenenfalls beschleunigen müssen. Immerhin trägt Scope 3 in unserer Industrie zu mehr als zwei Dritteln aller Emissionen bei.
Wo wollen Sie persönlich die Schwerpunkte Ihrer Arbeit als Vorstandsvorsitzender legen?
Die numerische Reihenfolge der EPPA-Ziele ist bewusst gewählt und prägt auch die Frage meiner persönlichen Schwerpunkte. Gleichzeitig kann ich aber nicht gänzlich verschweigen, dass ich aufgrund meiner unternehmerischen Berufung ein großes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette werfe und mir daher durchaus vorstellen kann, dieses Themenfeld im Laufe der kommenden Legislatur stärker zu bearbeiten, sofern dies den Zuspruch der Verbandsmitglieder findet.
Wo sehen Sie die größten aktuellen Herausforderungen für die Branche, in Europa und speziell auch in Deutschland?
Die Diskussion um das deutsche Heizungsgesetz ist in aller Munde. Es könnte landläufig der Eindruck entstehen, dass mit dem Kauf einer Wärmepumpe die Klimaziele im Gebäudesektor im Alleingang erfüllt werden können. Dem wird kaum so sein - insbesondere wenn man sich ansieht, welche Effizienzziele die EU für Gebäude der Klassen E-G bis 2033 verpflichtend aussprechen möchte.
Für mich steht die unerschütterliche Überzeugung, dass eingesparte Energie die effektivste Form der Reduzierung von Emissionen ist. Gleichzeitig zahlt sich die Investition in PVC-Fenster vergleichsweise schnell für den Verbraucher in Form reduzierter Energierechnungen aus, welches die Argumentation überproportional stärkt, zumal die Bezahlbarkeit der Klimawende für den Verbraucher das Thema schlechthin ist!
Wo sehen Sie die größten Wachstumschancen für die Branche und auf welche Weise können die Profilhersteller diese am besten nutzen?
Ganz klar im Bereich der energetischen Sanierung. Die Kombination aus gestiegenen Zinsen und hohen Baukosten haben der Neubautätigkeit in den meisten europäischen Ländern einen herben Dämpfer verpasst. Mit einer spürbaren Belebung kann man wohl frühestens im Laufe des nächsten Jahres rechnen. Umso wichtiger ist, dem Renovierungssektor gerade in dieser Zeit ein noch hohes Maß an Aufmerksamkeit zu schenken.
Im Rhythmus der globalen Nachhaltigkeitsbewegung gilt es, dem Verbraucher die vielfältigen Vorteile von PVC-Fenstern in puncto Nachhaltigkeit, Funktionalität, und Wirtschaftlichkeit aufzuzeigen und ihn im wahrsten Sinne 'nachhaltig' zu überzeugen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Entscheidung der Europäischen Kommission zur Thematik Blei und REACH-Beschränkungen?
Als Schritt in die richtige Richtung. Neben dem Importverbot von bleihaltigen Fenstern begrüßen wir vor allem die Entscheidung der Kommission, das Recycling von Altfenstern mit geringen Bleianteilen auch weiterhin im gesetzten regulatorischen Rahmen zu ermöglichen. Hierbei würdigt das Europäische Parlament insbesondere das klare Bekenntnis der Systemgeber, den Recycling-Kreislauf transparent von Profil zu Profil zu ermöglichen. Diesem regulatorischen Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft müssen nun weitere Schritte auch in anderen Gesetzen folgen.
Der verabschiedete Rechtstext gibt allen Systemhäusern entsprechende Rechtssicherheit, die weitere substanzielle Investitionen in die Kreislaufwirtschaft nach sich ziehen wird.
Ist diese Entscheidung das Verdienst von EPPA?
Wir haben den Prozess der Gesetzgebung als Verband aktiv begleitet und unseren Anspruch erfüllt, den Diskurs mit Daten und Fakten zu füttern, die für eine evidenzbasierte Entscheidung wichtig sind. Gleichzeitig haben wir auch mit Schwesterverbänden kooperiert, welche im Umfeld des Werkstoffs PVC für ähnliche Ziele einstehen wie EPPA. Im Ergebnis können wir sehr zufrieden sein.
Auf welchen Gebieten haben Sie als CSCO bei profine sich besonders für Aspekte der Kreislaufwirtschaft stark gemacht?
Mit der unmittelbaren Verantwortung für Beschaffung und Logistik sind wir für wesentliche Elemente einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft verantwortlich. Dazu gehören vor allem die stetige Weiterentwicklung unserer Beschaffungsquellen, die effiziente Verbringung von Altfenstern und Abschnitten sowie Sicherung der Qualität der eingesetzten Materialien. Hier bedarf es der Etablierung angepasster Prozesse im Unternehmen, die wir auch im Unternehmen vermitteln.
Neben dem stetigen Ausbau der Recyclingmengen und der Verbesserung von Prozessen steht für uns die Etablierung weiterer Kreisläufe im Blick. Als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb fokussieren wir uns zunehmend auf weitere Wertstoffe. Dazu zählen unter anderem auch Verpackungsreste, die standardmäßig an unseren Zulieferer zur Wiederverwertung geliefert werden.
Wo sehen Sie außerhalb von Lösungen zur Kreislaufwirtschaft im engeren Sinne noch weiteres Nachhaltigkeitspotenzial in der Wertschöpfungskette des Fensterprofils?
Die konsequente Umstellung der Energieversorgung auf nachhaltige Energiequellen ist ein klassisches Ziel. Mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette ist das Potenzial mit dem fortlaufenden technologischen Fortschritt weiterhin groß. Von der Dekarbonisierung im Rohstoffsektor über die Reduzierung des spezifischen Energieverbrauchs in den Produktionsprozessen bis hin zur Frage, wie Transporte hin zum Verarbeiter möglichst ressourcenschonend genutzt werden können. Über den Verband und unsere Branchenweiten EPDs können wir die kontinuierlich wachsende Energieeffizienz im Produktionsbereich schon seit vielen Jahren messen und nachweisen. Diese faktenbasierte Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit möchten wir auch in Zukunft weiter ausbauen.
Unsere Industrie hat trotz – oder gerade wegen – der Errungenschaften enormes Potenzial für eine noch nachhaltigere Zukunft. Das spornt uns und unsere Branche jeden Tag an!
Als Vorstandsvorsitzender eines europäischen Wirtschaftsverbandes, was ist Ihr Appell an die Politik?
Es ist außerordentlich wichtig, dass wir zur Erreichung unserer ambitionierten europäischen Klimaziele den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft auf allen Ebenen intensivieren und unseren Diskurs zur Erreichung der Ziele im Gebäudesektor durch Zahlen, Daten und Fakten leiten lassen. Ein europäisch vereinheitlichtes Leitmodell für die Subventionierung energetischer Sanierung sowie die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite wünsche ich mir als mögliches Ergebnis eines solchen Dialoges.
Herr Franke, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Informationen zu EPPA (European PVC Profiles and related Building Products Association) gibt es auf der Webseite des Branchenverbandes.